Wenn es draußen dunkel, kalt und nass ist und die meisten Ruderer zum Indoortraining geflüchtet sind, wird in Amsterdam Regatta gefahren. Am kürzesten Samstag des Jahres, was dieses Jahr auf den 21.12. fiel, wird über 54 km der Midwintermarathon durch die Grachten von Amsterdam und Umland ausgetragen. Gestartet werden darf in allen Bootskategorien vom Wherry bis zum C-Gig 4x+. Unterschieden wird in Damenmannschaft, Mixed und offene Klasse. Daraus ergeben sich diverse Klassen, zum Beispiel Mixed C-Gig 4x+, in der auch wir starteten. Der Sieg in einer Klasse ist aber nur die halbe Miete, viel wichtiger ist das Gesamtranking aller Boote. Ein offener C-Gig 4x+ erhält dafür den Faktor „1“, alle anderen Boote erhalten einen Bonus abhängig von ihrer Größe und Besetzung. Ein ausschließlich mit Frauen besetzter C-Gig 2x+ erhält zum Beispiel den Faktor „0,797“. Dieser Faktor multipliziert mit der tatsächlich gefahrenen Zeit ergibt die ausschlaggebende Zeit für die Gesamtplatzierung.
Am Freitagnachmittag kamen wir in Amsterdam an. In der Stadt gibt es im Dezember Lichtkunstwerke zu bestaunen, die besonders gut vom Wasser aus zu sehen sind. Daher machten wir mit entsprechender Beleuchtung eine Stadtrundfahrt im Dunkeln durch Amsterdam und schoben uns gemeinsam mit vielen Stadtrundfahrten durch die Grachten. Kommandos wie „Steu achten – Kunst!“ hatte die Mannschaft schnell verstanden und auch der Begriff „Normbrücke in 50 m“ war nach kurzer Erklärung jedem klar. Die meisten Brücken in Amsterdam haben dieselbe Breite von knapp 6 m. Um unbedacht bei Dunkelheit hindurchzufahren, ist die Brücke zu schmal. Die Skulls komplett lang zu machen, ist aber auch nicht notwendig. Die Ruderer verharren bei einer Normbrücke in einer leicht übertriebenen Rücklage, sodass wir sehr entspannt durch alle Brücken fahren konnten. Mit der Lichterfahrt hatten wir sogar eine kleine Teilstrecke für den morgigen Tag bereits kennengelernt.
Die Startreihenfolge für das Rennen am Samstag wurde klassenweise und danach bootsweise gelost. Von 77 Booten erhielten wir die Startnummer 35. Wir starteten als zweiter Mixed 4x+, hatten das vorausfahrende Boot schnell einge- und überholt und fuhren dann ein einsames Rennen. Da der Kanal sehr flach und schmal war, wäre ein Überholvorgang oft nicht möglich gewesen und so ließ der Veranstalter in weiser Voraussicht eine größere zeitliche Lücke vor den Mixed 4x+. Erst als es auf einem breiten Kanal wieder Richtung Amsterdam ging, überholten wir diverse Boote. Einige davon gehörten zum Midwintermarathon, die anderen Boote trainierten einfach nur so. Es schien, als ob ganz Amsterdam gerade in einem Ruderboot säße. Ich hatte alle Hände voll zu tun, unser Boot zwischen den anderen Booten hindurchzusteuern. Die Einfahrt in die Stadt war damit verglichen langweilig, denn hier trafen wir nur noch vereinzelt Ruderboote. Nachdem ich knapp 1,5 h in die Stadt hinein gerudert war, wurde mir das beste Stück der Strecke zum Steuern überlassen. Wobei dies wohl Ansichtssache ist. Eine Normbrücke mit voller Geschwindigkeit ohne Langmachen zu durchfahren, muss man können und sich trauen. Dass ich 18 Normbrücken auf meinem Steuerabschnitt so absolvierte und bei keiner Feindkontakt hatte, brachte mir große Bewunderung der Mannschaft ein. Als ich wieder rudern musste, war „nur noch“ ein Gegenwindstück zu absolvieren. Trotz schmalen Kanals stand hier eine nennenswerte Welle und die 4-5 Windstärken kamen genau von vorne. Also alle noch einmal die Zähne zusammenbeißen und ins Ziel fahren.
Wir waren das erste Boot im Ziel, das die Strecke ordnungsgemäß absolviert hatte. Einige Boote mussten aufgeben, da sie zu langsam waren, um noch vor Sonnenuntergang das Rennen zu beenden. Anderen Mannschaften wurde das Wetter zu schlecht und sie brachen deshalb ab. Während wir noch bei Sonnenschein gestartet waren, wurde aus dem ab der Hälfte einsetzenden Nieselregen allmählich richtiger Regen. Während wir geduscht im warmen Aufenthaltsraum saßen und auf den Zieleinlauf anderer Boote warteten, war jeder zweite Satz „Bin ich froh, schon fertig zu sein“.
Mit dem Zieleinlauf war unsere Platzierung noch nicht klar. Einige Boote starteten über eine Stunde später als wir und hatten aufgrund von Größe und Besetzung teils deutlich bessere Faktoren. Wir rechneten ein bisschen hin und her, wen wir wann zu erwarten hatten, verloren aber am Ende die Übersicht, sodass wir die Siegerehrung abwarten mussten. Mit einer tatsächlich gefahrenen Zeit von 4 Stunden und 22 Minuten haben wir den Streckenrekord für einen Mixed 4x+ um sieben Minuten verfehlt. Dafür machen wir den starken Süd-West-Wind verantwortlich und versuchen nächstes Jahr erneut, Bergedorf auf die Rekordliste zu schreiben. Trotzdem waren wir der schnellste von neun angetretenen Mixed-4x+. Mit Faktor kamen wir auf eine Zeit von 4 Stunden und 6 Minuten, was im Gesamtranking Platz 3 von 77 Booten bedeutete.
von Sabrina Thiessen